Impuls zum 14. Juni 2020
Von Klaus Hagedorn (Oldenburg), pax christi Diözesanverband Münster
„Siehe aber, Gott steht mir bei, der Herr ist der Halt meines Lebens.“
(Psalm 54,6 – in der Übersetzung von Romano Guardini)
Was rettet in diesen Zeiten der Pandemie…?
Was ist wichtig, wenn ich mich den Ereignissen dieser Tage nicht ausliefern, sondern standhaft bleiben möchte, wenn ich Widerstandskraft mir erhalten will und mancher gespürten Deprimierung etwas entgegensetzen will? Es ist ja nicht CORONA allein, das umtreibt, sondern – und die Zeitungen sind täglich voll davon – Populismus und Rassismus, Nationalismus und Egozentrismus treiben sehr seltsame Blüten. Und der Umwelt geht es an den Kragen – im Schatten von CORONA. Man schaue nur in die Berichte der letzten Wochen aus den Amazonas-Regenwäldern. Und die Kriege gehen weiter: im Südsudan, im Jemen, in Libyen. Was rettet und gibt Halt in diesen haltlosen Zeiten und Entwicklungen? Ich möchte von drei Dingen berichten, die mir in meiner freiwilligen Quarantäne der vergangenen Wochen aufgegangen sind.
Ein Erstes: Einen klaren Blick behalten auf das, was ist. Die aktuelle Covid-19-Pandemie ist weder ein Krieg, noch hat sie mit Schuld, Rache, Strafe oder Verschwörung zu tun. Pandemien gibt es, seit es Menschen gibt. Und in Zeiten einer globalisierten Welt lässt sich ein Virus einfach nicht mehr kontinental begrenzen. Die Pandemie fordert die Medizin, die Politik, die Wirtschaft, die Psychologie, ja letztlich alle und alles auf gänzlich neue Weise heraus. Und die Theologie? Die Rede von Gott? Es kann im Ernst keine theologische Deutung einer Pandemie geben. Nebenbei: Auch in der ökologischsten und gerechtesten Welt wird es Pandemien geben. Als Theologe, als Christ habe ich keine andere Antwort als die im Hiob-Buch in der Bibel. Es erschließt sich mir nicht, warum die Welt so ist, wie sie ist, warum die einen leiden und die anderen nicht, warum die einen ein hartes Schicksal trifft und die anderen von aller Not und allem Unheil verschont bleiben. Ich würde es gerne wissen, möchte es gerne wissen, aber es ist einfach nicht möglich zu wissen. Das ist ärgerlich und enttäuschend, auch zum Weinen und Schreien. Ich klage und muss protestieren gegen so viel Leiden und Ungerechtigkeit. Aber schlussendlich finde ich keine Antwort: Ich weiß es einfach nicht, warum Tod vor der Zeit, Unrecht und Leiden die einen trifft und die anderen nicht.
Ein Zweites, was rettet: Zuversicht finden – Hoffnung und Vertrauen. Mir ist neu bewusstgeworden: Mit meinen Sorgen, Gedanken und Bemühungen kann ich mein Leben letztendlich nicht halten, meine Kündigungsfrist, die ich nicht kenne, um keinen einzigen Tag verlängern. Ich kann mich zwar zu schützen suchen, aber ich kann z.B. nicht „machen“, dass das Virus mich nicht befällt. Deshalb: Ich brauche Zuspruch: Ich brauche die Zusage, dass mein Leben und anderer Leben gehalten ist in Krankheit und Tod, in Angst und Sorge, dass auch ein bitteres, selbst das verlorenste – und ein viel zu früh beendetes Leben nicht umsonst gewesen sind. Das gäbe Zuversicht, mich nicht ausliefern zu müssen. Diese Zuversicht finde ich aber nicht im Modus des Wissens, sondern allein im Modus der Hoffnung.
Dietrich Bonhoeffer, der große evangelische ökumenisch gesinnte Theologe, war ein Mensch, der sich solche Zuversicht errungen hat, der sich nicht hat unterkriegen lassen – in der „Pandemie“ des Nationalsozialismus. In seinen Tagebuch-Aufzeichnungen ist nachzulesen, wie das gehen kann – mit der Zuversicht.
Er schreibt kurz vor seiner Hinrichtung durch die Nazis an seine Verlobte: „Sieh doch, Gott steht mir bei. Sei getrost, dann bin ich auch getröstet. Wo ich auch sein werde, Gott hilft mir... Er allein erhält mein Leben, ist der Halt meines Lebens. Höre: ‘Er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.‘ – Sieh doch auf dies! Daran lass uns gegenseitig erinnern. Und nicht all das andere, was uns beunruhigt und bedrückt. Siehe, Gott steht mir bei. Lass uns nicht aufhören, auch einander beizustehen. Aber: wir können einander ja in Wahrheit gar kein Beistand sein, wenn nicht Gott uns beisteht. Indem wir einander unablässig daran erinnern, stehen wir uns bei.“
(Christian Gremmels und Wolfgang Huber (Hrsg), Dietrich Bonhoeffer Auswahl, Gütersloh 2006, Bd. 6, S. 105f)
Bonhoeffer hat erfahren: Solche Zuversicht – zumal gegenseitig sich in Erinnerung rufend – ist echter Trost für den Leib, für die Seele und für den Geist. Da wirkt ein Glaube an einen Gott, der nicht vor der Gefahr rettet, sondern der in der Gefahr mit mir ist; der nicht vor dem Tod bewahrt, sondern im Tod mich bewahren wird.
Ein Drittes sehe ich, was rettet: Es ist die absichtslose Solidarität mit denen, die am gefährdetsten sind, am verletzlichsten und mit denen, die durch die sozialen Netze zu fallen drohen. Für mich ist dies die ursprünglichste und höchste Form von Gottesdienst: die Nächstenliebe. Und dieser Gottesdienst ist derzeit besonders gefragt! Er wird von sehr vielen Menschen, von Glaubenden wie Nichtglaubenden gefeiert, von all den Menschen, die Not lindern, die Zuspruch geben, von all den Engagierten im Gesundheitswesen und der Altenpflege, im Infrastruktur- und Versorgungsbereich, in den zivilgesellschaftlichen Initiativen.
Sich um andere zu sorgen, sich für andere zu verausgaben, sich mit anderen zu verbinden, von anderen zu lernen, alles einzusetzen, was man hat und es teilen – das ist es, was am Ende, nach der Pandemie, heraussticht.
„Gebet für unsere Erde“
Gott des Lebens, wir bitten um guten Geist, den wir und unsere Welt so sehr brauchen.
Der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert,
mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,
damit wir das Leben und die Schönheit hüten.
Überflute uns mit Frieden,
damit wir als Brüder und Schwestern leben
und niemandem schaden.
Gott der Armen, hilf uns,
die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,
die so wertvoll sind in deinen Augen,
zu retten.
Heile unser Leben,
damit wir Beschützer der Welt sind
und nicht Räuber,
damit wir Schönheit säen
und nicht Verseuchung und Zerstörung.
Rühre die Herzen derer an,
die nur Gewinn suchen
auf Kosten der Armen und der Erde.
Lehre uns,
den Wert von allen Dingen zu entdecken
und voll Bewunderung zu betrachten;
zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind
mit allen Geschöpfen
auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.
Danke, dass du alle Tage bei uns bist.
Ermutige uns - bitte - in unserem Kampf
für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.
Darum bitten wir – hier und heute – Amen
Gebet für unsere Erde, aus: Enzyklika „Laudato si – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ (2015) von Papst Franziskus zum Thema Umwelt und Entwicklung.
Vater unser
Vater unser im Himmel
schau mütterlich auf deine Erde
geheiligt werde dein Name
mit dem so viel Unrecht verübt wird
Dein Reich komme
der Friede und die Gerechtigkeit, nach denen wir uns sehnen
Dein Wille geschehe
denn wer weiß schon, was besser ist
wie im Himmel so auf Erden
unserer armen, blutenden Erde voll Gewalt
Unser tägliches Brot gib uns heute
wir wollen es teilen, dann reicht es für alle
Und vergib uns unsere Schuld
damit wir frei werden zu lieben
und auch wir vergeben unseren Schuldigern
weil du uns die Kraft dazu gibst
Und führe uns in der Versuchung
damit wir auf deinem Weg bleiben
und erlöse uns von dem Bösen
so werden wir glücklich ans Ziel gelangen
Denn dein ist das Reich und die Kraft
voll Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen
Aus: Te Deum 7/2019, 209f
Segensgebet
Lasst uns um Segen bitten:
Lebendiger Gott:
Segne uns – und das, was wir tun.
Behüte uns – und die, mit denen wir leben.
Lass dein Angesicht leuchten über uns – und über die,
für die wir Verantwortung tragen
Sei uns gnädig – und all denen, die sich feind sind.
Erhebe dein Angesicht über uns – und unsere Geschwister in aller Welt.
Gib uns – und der ganzen Welt – deinen Frieden.
Und so lasst uns in Zuversicht und mit Frieden und Vertrauen im Herzen unseren Weg weitergehen trotz allem – im Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes. AMEN
Liedvorschläge
GL 437, 1.2.4 Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht
GL 788, 1+3 Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft
GL 829, 1-4 Hoffen wider alle Hoffnung„Siehe aber, Gott steht mir bei, der Herr ist der Halt meines Lebens.“